Seit 20 Jahren ist er Tradition: der Start der Wettkampfsaison im alpinen Skisport in Sölden. Und das Besondere in diesem Jahr: Marcel Hirscher ist als Pensionist wieder mit von der Partie. Und zwar nicht für Österreich, sondern für die Niederlande. Das Wochenende wird also einen orangefarbenen Touch bekommen.
Hirscher am Start
Hirscher (35) - seine Mutter stammt aus den Niederlanden - hat sich am Freitag das Ja-Wort gegeben. Er geht an den Start. Sein Trainerteam hatte zuvor verraten, dass die Abstimmung der Ausrüstung noch nicht optimal ist. Und Hirscher wollte nicht starten, wenn er keine Chance hat, eine gute Platzierung zu erreichen. Die aktuellen Top-Skifahrer im Slalom und Riesenslalom sind sich weitgehend einig: Wenn jemand auf das höchste Niveau zurückkehren kann, dann Marcel Hirscher. Doch wer in den jüngsten Interviews mit Hirscher zwischen den Zeilen lesen kann, bemerkt doch einige Zweifel. Die absolute Spitze scheint bei den ersten Wettkämpfen sicher unerreichbar zu sein. Sein Trainerteam sprach zuvor von einem möglichen Rückstand von 4-5 Sekunden, gerechnet über zwei Läufe. Das könnte ihm gerade noch eine Platzierung unter den besten 30 Skifahrern einbringen. Aber er wird es trotzdem versuchen.
Hirscher wird als 31. in den ersten Lauf starten, und zu diesem Zeitpunkt ist die Piste in der Regel nicht mehr im besten Zustand. So oder so wäre es toll, wenn der halbe Niederländer es in den zweiten Lauf schafft (dann muss man im ersten Lauf unter den besten 30 Skifahrern sein).
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Hirscher ist nicht der Einzige
Hirscher ist nicht der Einzige, der in den Wettkampfsport zurückkehrt. Der Norweger Lucas Braathen (24) hatte vor über einem Jahr nach einem Konflikt mit dem norwegischen Verband plötzlich mit dem Skisport aufgehört. Auch er wird höchstwahrscheinlich am Sonntag beim Riesenslalom in Sölden an den Start gehen. Und auch er wird unter der Flagge des Landes seiner Mutter, nämlich Brasilien, starten. Im Gegensatz zu Hirscher scheint Braathen durchaus Chancen auf eine hohe Platzierung zu haben. Doch die meiste Aufmerksamkeit wird auf Topfavorit Marco Odermatt gerichtet sein. Der unerschütterliche Schweizer kann mit dem enormen Druck, der seit Jahren auf seinen Schultern lastet, als „the man to beat“ des Weltcup-Zirkus wie kein anderer umgehen.
Auffallend ist auch, dass Odermatt, der in allen Disziplinen ausser dem Slalom antritt, nie eine schwere Verletzung erlitten hat und deshalb auch mental sehr stark geblieben ist. Denn jeder Wintersportler weiß: Wenn man einmal schwer gestürzt ist, wird man vorsichtiger. Und Zweifel im Kopf sind meist keine gute Nachricht für einen Leistungssportler. Das wissen unter anderem Marco Schwarz (Österreich), Aleksander Aamodt Kilde (Norwegen) und Alexis Pinturault (Frankreich). Diese im letzten Jahr gestürzten Spitzenfahrer haben alle Rückschläge in ihrer Rehabilitation erlitten, so dass sie vorerst nicht auf das höchste Niveau zurückkehren können. Odermatts Hauptgegner am Sonntag sind sein Landsmann Loic Meillard (der in allen Disziplinen antritt), Henrik Kristoffersen (Norwegen) und Manuel Feller (Österreich).
Top-Favoritin Michaela Shiffrin
Bereits am Samstag werden die Frauen auf dem Rettenbachgletscher antreten. Auch hier gibt es eine Top-Favoritin, nämlich die Amerikanerin Michaela Shiffrin. Ihre engsten Konkurrentinnen kommen aus Italien (Federica Brignone und Marta Bassino) und der Schweiz (Lara Gut-Behrami). Möglicherweise können die drei Katharinas aus Österreich (Huber, Truppe, Liensberger) noch etwas Boden gut machen, aber das wird nicht erwartet. Die einzige echte Außenseiterin ist die Schwedin Sara Hector, aber ihr Erfolg hängt meist von den Wetterbedingungen ab. Tatsächlich erzielt sie ihre besten Ergebnisse vor allem bei schlechtem Wetter.
Lange Verletztenliste bei den Frauen
Auch bei den Frauen gibt es eine lange Verletztenliste, darunter Petra Vhlova (Slowakei), Sofia Goggia (Italien) und Wendy Holdener (Schweiz). Als Ursache für die vielen Verletzungen werden die schlechten Wetter- und Pistenbedingungen des vergangenen Winters sowie der volle Wettkampfkalender und die zunehmend „aggressive“ Ausrüstung genannt. Der Wettkampfkalender ist seit Jahren ein Diskussionspunkt zwischen Athleten und dem internationalen Skiverband FIS. Doch nun scheint man auf die Athleten zu hören. Auch die FIS will den Kalender effizienter gestalten und ist bereit, Rennen zusammenzulegen oder gar zu streichen. Eine Idee ist, die Saisoneröffnung in Sölden eine Woche später zu veranstalten und dann mit den Slaloms zu kombinieren, die jetzt Ende November in Obergurgl (also auch im Ötztal) stattfinden sollen. Außerdem müssen die Skifahrer ab dieser Saison bei den schnellen Disziplinen (Super G und Abfahrt) Airbags tragen.
Die Piste sieht perfekt aus
Kurz zurück zur Rennstrecke auf dem Rettenbachgletscher. Sie befindet sich seit Wochen in optimalem Zustand, dank der häufigen Schneefälle in diesem Herbst. Und natürlich mit Hilfe von konserviertem Schnee aus der Vorsaison („Snowfarming“). Letztes Jahr war Sölden noch mit Umweltorganisationen in Konflikt geraten, weil angeblich Gletschereis entfernt wurde, um die Pisten zu glätten. Nun berichten die Organisatoren, dass durch diese Aktion diesmal viel weniger Schnee und Wasser verbraucht wurde, was der Umwelt zugute käme.
Wir wünschen allen viel Spaß beim Anschauen der Rennen!